Maritimer Adventskalender 2023

Eine ungewöhnliche Seebestattung

Die Anschläge des 11. September 2001 haben sich wie kein anderes Ereignis der jüngeren Geschichte in das kollektive Gedächtnis der Menschheit gebrannt. Viele wissen noch heute, was sie an diesem Tag gemacht haben. Wohl auch, weil die Bilder gewaltig verstörten, den Alltag unvermittelt unterbrachten und durch ständige Wiederholung ein Gefühl der Angst erzeugten. Die Zwillingstürme des damaligen World Trade Center, die jeweils von einem Flugzeug getroffen wurden, begruben New York unter einer Aschewolke. Sie stehen bis heute sinnbildlich für diesen Tag, der die Vereinigten Staaten aber auch die Weltordnung nachhaltig veränderte.

Die Anschläge, die nach heutigen Erkenntnissen 2977 Menschen (2753 in New York, 184 am Pentagon und 40 in Pennsylvania) das Leben kosteten, gehen auf das Konto der Terrororganisation Al-Qaida. Ihr Gründer und Anführer, Osama bin Laden, erlangte als Drahtzieher hinter den Anschlägen zweifelhafte Berühmtheit. Obwohl kein Unbekannter für die USA – bereits seit 1198 bestand eine Anklage gegen ihn, u. a. wegen Terroranschlägen auf Botschaften in Ostafrika –, narrt er die Supermacht durch ein geschicktes Versteckspiel. Erst 9 Jahre nach den Anschlägen gelang es den USA bin Laden in Abbottabad, Pakistan, aufzuspüren. Eine militärische Spezialeinheit versuchte ihn im Rahmen einer Geheimoperation lebend zu ergreifen, allerdings starb er laut offizieller Darstellung in einem Feuergefecht.

Dies ist der bekannte Teil der Geschichtsschreibung. Weniger bekannt hingegen ist, dass bin Laden eine Seebestattung erhielt. Sein Leichnam wurde auf den Flugzeugträger USS Carl Vinson verbracht und im Nordarabischen Meer bestattet. Die Seebestattung war, laut John Brennan, Anti-Terror-Berater des damaligen Präsidenten Obama, nach Abwägen der Alternativen „als beste Option übrig geblieben“, weil die islamische Tradition eine Bestattung eines Leichnams innerhalb von vierundzwanzig Stunden vorschriebe.

In der islamischen Welt stieß dieses Vorgehen auf Kritik, weil der Islam grundsätzlich weder Feuer- noch Seebestattungen vorsieht. Im Orient werden verstorbene Muslime in der Regel noch am Todestag begraben. Zuvor ist der Leichnam von Angehörigen des gleichen Geschlechts nach bestimmten Regeln zu waschen und in ein weißes Leichentuch zu hüllen. Außerdem verrichten die Gläubigen ein Totengebet. Ein Grab wird so ausgehoben werben, dass der Verstorbene in Richtung Mekka schaut.

Brennan entgegnete den Kritikern, bin Laden in ein anderes Land zu bringen, hätte das Zeitlimit von vierundzwanzig Stunden überschritten. Außerdem sei kein Land bereitgewesen, den Leichnam aufzunehmen. Die US-Regierung habe unter anderem Saudi-Arabien, das Geburtsland bin Ladens, angefragt, aber eine Absage erteilt bekommen. Nicht von der Hand zu weisen ist allerding auch, dass die Seebestattung der Regierung einen entscheidenden Vorteil bot: Sie verhinderte das Entstehen eines Pilgerorts.