Maritimer Adventskalender 2024

Lina berichtet über ihre Erfahrungen als Freiwillige während der Corona-Pandemie

Ich habe im Spätsommer 2020 meinen einjährigen Bundesfreiwilligendienst bei der Seemannsmission Brunsbüttel gestartet. Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie etwas von der Deutschen Seemannsmission gehört und hatte vorher auch keinen wirklichen Bezug zur Schifffahrt, obwohl ich an der Nordseeküste aufgewachsen bin. Eine Freundin meiner Mutter hatte gehört, dass die Seemannsmission in Brunsbüttel noch Freiwillige sucht und nachdem ich mich über die Seemannsmission generell als auch die Aufgabenbereiche eines „Bufdis“ (Anm. d. Red.: Bundesfreiwilligendiestleistende werden liebevoll als „Bufdis“ bezeichnet) informiert hatte, habe ich mich beworben. Im Gegensatz zu vielen anderen FSJ-Stellen (Anm. d. Red.: FSJ steht für Freiwilliges Soziales Jahr) im sozialen Bereich, haben mich besonders die Vielfalt an Aufgaben und der internationale und interkulturelle Aspekt überzeugt. Ohne eine konkrete Vorahnung, was mich in dem kommenden Jahr erwarten würde, bin ich dann also in das Freiwilligenjahr gestartet – und habe es bis heute nicht bereut.

Vor meinem ersten Besuch and Board eines internationalen Schiffes war ich total aufgeregt. Wir stiegen die Gangway hoch und wurden gleich von der philippinischen Gangway-Wache freundliche begrüßt und ins Schiff gebeten. Dort trafen wir auf einige weitere Crewmitglieder, denen wir unseren neu entwickelten „Bestellkatalog“ präsentierten. Aufgrund der Corona-Pandemie war es den Seeleute nicht gestattet, von Bord zu gehen, sodass wir es uns zu Aufgabe machten, sie bestmöglich mit allen nachgefragten Mitteln wie Sim-Karten, Süßigkeiten, Unterhaltungswaren oder Hygieneprodukte zu versorgen.

Es wurde zu meinem Alltag, täglich auf Menschen aus verschiedensten Kulturen und Herkünften zu treffen, Erfahrungen auszutauschen, gemeinsam Mittag zu essen, einen Kaffee zu trinken oder sie zu Arztbesuchen zu begleiten und zu unterstützen. Über die Geschichten und Schicksale der Seeleute zu hören, haben meinen Horizont und Sichtweise auf die gesamte Welt geprägt und mir vor allem die Bedeutsamkeit der Schifffahrt für die gesamte Welt nähergebracht. Ich hatte das Gefühl, mit meiner Arbeit wirklich etwas zu erreichen und Gutes zu tun.

Die vielfältigen Aufgabenbereiche haben mich vor Herausforderungen gestellt, durch die ich mich aber unfassbar weiterentwickeln konnte. Und vor allem haben sie mir erheblich für mein zukünftiges Leben geholfen. Nach der Schule sind die meisten jungen Menschen planlos, fühlen sich unsicher und unbeholfen. Da man nun aber Verantwortung tragen musste, dies aber trotzdem in einem sehr angenehmen und entspannten Arbeitsklima, konnte man sich ausprobieren und seine Fähigkeiten auf die Probe stellen: Angefangen bei dem Englisch sprechen, das Begleiten der Seeleute ins Krankenhaus oder Ämter und ausfüllen von Dokumenten, das Organisieren und Verwalten der Unterkünfte, Hauswirtschaft, Verkauf von Dingen in dem Seemannsshop…

Und ein letzter Aspekt: Mich hat der Bundesfreiwilligendienst schließlich zu meinem heutigen Job geführt. Wie gesagt, hatte ich vor dem Bufdi Jahr keine Ahnung über die Schifffahrtsbranche. Während des Jahres, habe ich aber verschiedenste Menschen aus der Branche kennengelernt wie die Seeleute selbst, Kapitäne, Lotsen aber eben auch Schifffahrtskaufleute von Reedereiagenturen. So bin ich auf den Ausbildungsberuf der Schifffahrtskauffrau aufmerksam geworden und habe genau diese Ausbildung auch Anfang des Jahres erfolgreich abgeschlossen. Bis heute arbeite ich in einer Reederei und finde die Schifffahrtsbranche unfassbar interessant. Leider ist das Wissen über die Zusammenhänge und Bedeutung für die Weltwirtschaft kaum verbreitet, wie ich feststellen musste.

Ich bin bis heute immer noch stolz, dass ich durch das freiwillige Jahr einen winzig kleinen Teil beisteuern konnte und denke auch heute noch oft an alte Erlebnisse mit den Seeleuten, die ihr tägliches Leben auf einem Schiff im Meer führen und für die Sorge ihrer Familie auf viele Dinge verzichten. Die meisten Seeleute sind unfassbar zuvorkommend und höflich und freuen sich bereits über kleine Dinge. Das inspiriert einen.

Ich kann jedem jungen Menschen nur zu dem Bundesfreiwilligendienst raten, der Lust hat seinen Horizont zu erweitern und internationale Erfahrungen im eigenen Land zu sammeln. Man geht mit so viel mehr Erfahrungen, persönlicher Stärke und Arbeitserfahrungen aus dem Jahr heraus. Ich persönlich habe mich dann jedenfalls nicht mehr so planlos gefühlt.