Von Stefanie Langos
Die Interessenvertretung All Aboard Alliance mit Sitz in Kopenhagen hat 115 Frauen befragen lassen und 15 Haupt-Schmerzpunkte („key pain points“) für Frauen auf See identifiziert. Die Interviewten waren weibliche Seeleute aller Ränge und Herkunftsländer, die auf Schiffen bzw. in der maritimen Industrie arbeiten. In der Zusammenfassung der englischsprachigen Studie werden die 15 Punkte in vier Kategorien zusammengefasst.
1️⃣ In der ersten Kategorie geht es vor allem um die Schwierigkeit für Frauen auf See, beruflichen Erfolg zu haben.
So würden sie als weniger kompetent als ihre männlichen Kollegen wahrgenommen und hätten auch nicht den gleichen Zugang zu Weiterbildungen oder Aufgaben an Bord. Überdies stünden sie ständig unter dem Druck, besser als ihre männlichen Kollegen sein zu müssen, um respektiert oder befördert zu werden, so die Forschenden.
2️⃣ Die zweite Kategorie betrifft die sozialen Beziehungen an Bord, die von den Befragten als besonders herausfordernd wahrgenommen werden.
Weibliche Seeleute fühlen sich der Studie zufolge häufig isoliert. Sorgen bereiten ihnen außerdem Gerüchte, Machtmissbrauch sowie sexuelle Belästigungen.
3️⃣ Probleme ergeben sich ferner durch die Art der Anstellung.
In dieser Kategorie wurden zu lang andauernde Einsatzzeiten, fehlende Möglichkeiten der Familienplanung und des Mutterschaftsurlaubs oder sogenannte Küsten-Rotationsprogramme („sea shore rotation programmes“) genannt. Diese führen laut Studie dazu, dass sich viele Frauen zwischen einer Karriere auf See und der Familiengründung entscheiden müssen – und die Entscheidung fällt oft gegen die Arbeit auf See aus. Hinzu komme noch, dass es weiter viele Reedereien gebe, die keine weiblichen Seeleute einstellen wollten.
4️⃣ Die vierte Kategorie betrifft konkrete Arbeitsbedingungen.
Die Befragten nannten den fehlen – den Zugang zu Hygieneprodukten, den Mangel an ausreichend taillierter Arbeitsschutzkleidung etwa bei flammhemmenden Overalls. Auch fehlt meist ein Zugang zu eigenen Umkleideräumen und Sanitäranlagen.
Ziel des Berichts sei es, so fassen es Susanne Justesen und Jus Javornik vom Global Maritime Forum in der Einleitung zusammen, mehr Transparenz und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, mit welchen Problemen Frauen auf See zu kämpfen haben. Eine Karriere auf See müsse inklusiver werden und somit weibliche Seeleute und jeden, der daran interessiert ist, motivieren, diesen Berufsweg zu wählen, fordern sie. Dafür hat die All Aboard Alliance nun seit März in zwei Arbeitsgruppen aus mehr als 60 Seeleuten verschiedener Ränge, leitenden Angestellten und Experten verschiedener Bereiche Maßnahmen entwickelt und diese auf ausgesuchten Schiffen getestet. Vorbedingung war eine durchschnittlich höhere Anzahl weiblicher Offiziere und Besatzungsmitglieder an Bord. Ergebnis war eine Reihe vielversprechender neuer Ideen und Konzepte, die derzeit in eine Richtlinie einfließen und in einer Pilotphase ausprobiert werden.
Dieser Text wurde zuerst im „Lassen fallen Anker“ veröffentlicht, dem Magazin der Deutschen Seemannsmission. Mehr unter: https://seemannsmission.org/presse/lass-fallen-anker/