Maritimer Adventskalender 2024

Aus dem Büro auf die Weltmeere

Lara Marie Habedank (28) berichtet von ihrer Suche nach ihrem Traumberuf und wie sie ihn gefunden hat.

Oft werde ich auf meinen Werdegang in der maritimen Welt angesprochen. Das Interesse an unserem Job auf See führt mir immer wieder vor Augen, dass wir unsere Erfahrungen teilen sollten, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig die Arbeit der Seeleute für eine funktionierende Wirtschaft ist, und um zu zeigen, was ein Leben
auf See bedeutet.

Nun aber erst einmal alles auf Anfang: Mein Name ist Lara Marie Habedank, ich bin 28 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Brunsbüttel. Mein Heimatort befindet sich direkt an der Elbe und an den Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals. Die Nähe zur maritimen Welt war also immer vorhanden. Eine Vorstellung von einem Traumjob hatte ich lange nicht. Mir war aber klar, dass ich nach dem Abitur nicht sofort studieren wollte, weil ich gar nicht wusste, in welche Richtung es gehen sollte und ob ich das überhaupt schaffen würde. Im letzten Schuljahr habe ich gegoogelt, welche Ausbildungsberufe es gibt, die sich vielseitig gestalten lassen.

Interview mit Lara Marie Habedank (Englisch)

Am Ende habe ich mich für eine Ausbildung zur Schifffahrtskauffrau bei der United Canal Agency (UCA) in Brunsbüttel entschieden. Und das würde ich genau so wieder tun. Die Ausbildung begann direkt im Schichtdienst, und auch an Wochenenden wurde gearbeitet, was eine gute Vorbereitung auf das Leben an Bord war. Die Schifffahrt hatte mein Interesse geweckt, und so konnte ich durch gute Leistungen die Ausbildung auf zweieinhalb Jahre verkürzen. Durch die gewonnenen Einblicke und den ständigen Kontakt mit den Schiffen und deren Besatzungen hat sich mein nächster Karriereschritt entwickelt. Spätestens nach zwei Jahren Ausbildung war mir klar, dass es nun wohl Zeit wurde, meinen Heimathafen zu verlassen.

Die Ausbildung habe ich im Januar 2018 abgeschlossen. Eine Woche später fing ich als Nautische Offiziersassistentin (NOA) an Bord des Containerschiffes „Cap San Augustin“ an. Auch dort ging es direkt mit Schichtdienst und neuen Eindrücken weiter. Das Schiff ist knapp 330 Meter lang, 50 Meter breit und hat eine Container-Kapazität von 10 500 TEU – nach der Arbeit am Nord-Ostsee-Kanal nun also eine ganz neue Dimension. Schnell war mir klar: Die Arbeit an Bord ist hart, aber meine Kollegen sind nett. Das war schon mal die halbe Miete. In meinen sechseinhalb Monaten an Bord sind wir zwischen Nordeuropa und der Ostküste Südamerikas unterwegs gewesen, außerdem ging es ins Trockendock bei Blohm + Voss in Hamburg. Während der langen Zeit an Bord gab es einige Besatzungswechsel. Ich habe Freunde fürs Leben getroffen und Kollegen, die einfach Kollegen geblieben sind – das ist Teil jeder Reise.

Während ich noch an Bord war, haben meine Eltern mir eine Wohnung in Flensburg gemietet, da das Studium an der Hochschule Flensburg kurz nach dem Abmustern starten sollte. Das Studium am Maritimen Zentrum nahm seinen Lauf. Neben dem Studium habe ich als Werkstudentin circa 15 bis 20 Stunden pro Woche bei der Fördereederei Seetouristik (FRS) in den Bereichen „Fleet Management“ und „Health, Security, Environment & Quality“ gearbeitet. Das waren genau meine Themen und die perfekte Verknüpfung zwischen dem Job als Schifffahrtskauffrau und den Erfahrungen an Bord. Die Winter-Semesterferien habe ich immer an Bord verbracht. Dabei habe ich noch Fahrzeit auf einem Kreuzfahrtschiff und einer Schnellfähre gesammelt. Ein guter Überblick über die maritime Branche und die verschiedenen Schiffstypen war mir wichtig. Das Studium habe ich im Sommer 2021 abgeschlossen. Rückblickend kann ich auch dazu sagen: Die Entscheidung, nach Flensburg zu gehen, war goldrichtig.

Im Oktober 2021 ging es das erste Mal als Nautische Wachoffizierin für die Reederei Hapag-Lloyd auf große Fahrt. Trotz der Seefahrtszeit, die für das Studium erforderlich war, und der Übungsstunden im Schiffssimulator habe ich mich gefühlt, als sei ich ins kalte Wasser gestoßen worden. Schaffe ich das wirklich? Vom Studium direkt auf die Brücke, Manöverstation, Ladungswache und in die Zuständigkeit für die Sicherheitsausrüstung. Der Kollege, den ich abgelöst habe, hat mich super eingearbeitet, und die Ängste haben sich in Respekt verwandelt. Sowohl die gut eingespielte Besatzung als auch die Kapitänin haben dafür gesorgt, dass ich meine erste Reise als Offizierin erfolgreich absolviert habe. So ging es weiter von Schiff zu Schiff in die verschiedenen Fahrtgebiete.

Im Mai 2023 ging es für mich in eine Werft nach Südkorea, um die erste von zwölf Neubauten unserer Reederei abzuholen und mit in Dienst zu stellen. Was für eine Erfahrung! Die „Berlin Express“ ist 400 Meter lang, 60 Meter breit, hat eine maximale Container-Kapazität von 23 664 TEU und fährt mit einem 58 270 kW starken Dual-Fuel-Antrieb über die Weltmeere. Das waren wieder neue Dimensionen. Als Nautischer Wachoffizier oder Nautische Wachoffizierin hat man verschiedene Zuständigkeitsbereiche, die unterschiedliche Perspektiven auf das Schiff bieten. Meistens bin ich als Safety Deputy eingeteilt, wodurch ich neben der Brückenwache viel Zeit an Deck verbringe. Dabei geht es darum, die Sicherheitsausrüstung an Bord in Schuss zu halten.

Auf dem neuen Schiff musste erst einmal alles auf Basis der Vorgaben und Pläne eingerichtet, getestet und kontrolliert werden. Die Alternative zum Safety Officer ist der Aufgabenbereich des Navigation Officer. Dort ist man für die Routenplanung und das Equipment auf der Brücke verantwortlich. Unabhängig von beiden Aufgabenbereichen sind wir Wachoffiziere beim An- und Ablegen auf den Manöverstationen eingeteilt, um das Leinenhandling zu arrangieren. Im Hafen angekommen, geht es dann mit der Ladungswache weiter. Diese beinhaltet das Überwachen der Ladungsoperationen. Dazu gehören etwa das An- und Abschlagen sowie die Kontrolle der Reefer (Kühlcontainer), der Gefahrgutcontainer und – mit Fertigstellung – auch die Kontrolle von Twistlocks und Lashing. Darüber hinaus bin ich als Medical Officer gemeinsam mit dem Kapitän für das Bordhospital zuständig, denn Frachtschiffe haben normalerweise keinen Arzt an Bord. Sollten wir an Bord einen medizinischen Rat oder Hilfe benötigen, können wir mit den Ärzten von MEDICO Cuxhaven in Kontakt treten und weitere Maßnahmen besprechen.

Welche Herausforderungen die Seefahrt in den letzten Jahren und gegenwärtig zu bewältigen hatte und hat und inwieweit die Seeleute davon betroffen sind, kann ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Dennoch sollte man im Blick behalten, dass die weltpolitischen Geschehnisse großen Einfluss auf unseren Bordalltag, die Schifffahrt und die Weltwirtschaft haben. Nicht ohne Grund befinden wir uns gerade auf der knapp 11 800 Seemeilen langen Überfahrt von Singapur nach Rotterdam über das Kap der Guten Hoffnung.

Wenn ich auf die vergangenen neun Jahre zurückblicke, kann ich sagen, dass meine Pläne aufgegangen sind. So soll es weitergehen! Da muss ich wohl einmal meine Freunde und Freundinnen sowie meine Familie erwähnen, die viel Verständnis und Unterstützung während meiner Abwesenheiten aufbringen. Die von mir gewünschte Vielseitigkeit meines Berufs erfüllt das Arbeitsleben an Bord in vielerlei Hinsicht. Jede Reise, jedes Schiff und jede Besatzung bringen neue Aufgaben, Herausforderungen, Schwerpunkte, Sichtweisen und Fahrtgebiete mit sich.

Unseren zukünftigen Kolleginnen und Kollegen möchte ich mit auf den Weg geben, dass man in diesem Beruf richtig ist, wenn man vor allem Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen und Leidenschaft für den Beruf mitbringt. Die Jobbeschreibungen und die zu erfüllenden Aufgaben als Nautical Watch Officer sind natürlich geschlechtsunabhängig, genau wie die englischen Begriffe Seafarer und Captain. Wer seinen Job also entsprechend ausübt, wird meiner Erfahrung nach mit vollem Respekt behandelt. Da kann man auch erwähnen, dass wir nach Heuertarifvertrag bezahlt werden und gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit garantiert ist.

Ahoi & beste Grüße
Lara

Auch interessant: Der „Hamburg Journal“-Beitrag „Nur wenige Frauen in der Seeschifffahrt“, in der Lara Marie Habedank vorgestellt wird.